Jury des Media Forward Fund sendet klares Signal für den Lokaljournalismus
Sechs Medien erhalten Förderungen in Gesamthöhe von 1,5 Millionen Euro, davon vier Redaktionen aus Deutschland und zwei aus der Schweiz – ausgezeichnet wurden transformative Geschäftsmodelle, um Lokaljournalismus zu finanzieren, sowie Wissenschafts- und Datenjournalismus – Patrick Swanson neu in der Jury – nächster Call startet am 11. August 2025

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Berlin / Wien / Zürich – 15. Juli 2025: Der vor einem Jahr gegründete Media Forward Fund (MFF) zur Stärkung des gemeinwohlorientierten Journalismus und der Demokratie in Deutschland, Österreich und der Schweiz präsentiert heute die neuen Förderpartner aus dem zweiten Fördercall. Sechs Medien erhalten Förderungen in Gesamthöhe von 1,5 Millionen Euro: In der Allgemeinen Förderlinie (GEN) spricht die unabhängige Jury drei Medien eine Förderung von jeweils bis zu 400.000 Euro zu, davon einem aus Deutschland und zweien aus der Schweiz. In der neuen Förderlinie Wissenschafts- und Datenjournalismus (SCI) erhalten drei weitere Medien aus Deutschland Launch Grants von jeweils bis zu 100.000 Euro.
Die Jury hat aus 113 Bewerbungen aus dem gesamten DACH-Raum diesmal drei Lokalmedien ausgewählt, die mit drei verschiedenen Geschäftsmodellen arbeiten, um gemeinwohlorientierten Lokaljournalismus zu finanzieren: von tief verankertem Community-Journalismus nahe an einer urbanen Zielgruppe vor Ort über hyperlokale, KI-gestützte Informationsangebote im ländlichen Raum bis hin zur strategischen Erschließung von Gemeinden im suburbanen Bereich als neue Finanzierungspartner.
„Mit ihrer Entscheidung sendet die Jury ein klares Signal, dass es im Lokaljournalismus viele transformative Geschäftsmodelle mit Zukunftschancen gibt“, sagt Martin Kotynek, Gründungsgeschäftsführer des Media Forward Fund. „Mit der Förderung können wir einen Beitrag leisten, diese gemeinwohlorientierten Modelle ins Wachstum zu bringen, damit Lokalmedien sich unabhängiger finanzieren können. So können sie als Blaupause für Lokalmedien im gesamten DACH-Raum dienen.“
Die Förderpartner der Allgemeinen Förderlinie (GEN)
Das gemeinnützige Schweizer Lokalmedium Bajour, das täglich mehr als 20.000 Menschen erreicht und sich seit 2019 mit seinem per Newsletter versendeten Basel Briefing als wichtiges journalistisches Angebot in Basel etablieren konnte, erhält eine Förderung in Höhe von 400.000 Euro. Mit der Förderung möchte Bajour sein Basel Briefing mit hyperlokalisierten News auf die zehn einwohnerstärksten Vorortgemeinden von Basel ausweiten. Zudem sollen informationspflichtige Gemeinden als finanzielle Kooperationspartner gewonnen und neue zahlende Unterstützende und zusätzliche Werbeeinnahmen generiert werden.
Die Jury würdigt den Ansatz des “deep local journalism“: „Bajour bietet ein in Ton und Sprache zielgruppengerecht und leicht zugängliches Angebot passend zu den kommunikativen Bedürfnissen der lokalen Zielgruppe. Der Ansatz, Gemeinden als Einnahmequelle in seinen Vertriebskanälen zu erschließen, hat das Potenzial, als Vorbild für lokaljournalistische Innovation für die gesamte DACH-Region zu dienen.“
Mit dem deutschen Lokalmedium loky* aus dem Berliner Ortsteil Prenzlauer Berg, das durch alltagsnahen Newsletter-Journalismus und regelmäßigen Austausch eine Local News Community aufbauen möchte, geht der MFF eine Kooperation in Höhe einer Projektfinanzierung von 400.000 Euro ein. Ziel ist es, das Berichtsgebiet und Angebot auf benachbarte Ortsteile auszuweiten und so zusätzliche Newsletter-Abonnements zu gewinnen.
loky* überzeugte die Jury als Vorreiter für urbanen Community-Journalismus mit hoher Relevanz direkt vor Ort: „loky* versteht die besonderen Bedürfnisse und Themen der lokalen Zielgruppe und hat darauf ein starkes und überzeugendes Markenkonzept gebaut. Besonders gefallen haben Leichtigkeit, Neugier und Optimismus als Antwort auf das Phänomen der Nachrichtenvermeidung.“
Neue digitale Dorfzeitungen: Spatz ist eine Schweizer Digitalplattform, die ein Netzwerk KI-gestützter hyperlokaler Nachrichtenquellen via Newsletter und WhatsApp aufbaut – von und für die Dorfgemeinschaft. Der Media Forward Fund unterstützt mit 400.000 Euro die Skalierungsstrategie der gemeinnützigen Medienorganisation Spatz und eine Ausweitung von bisher acht auf mindestens zwanzig digitale Dorfzeitungen im DACH-Raum. Zudem soll ein nachhaltiger Finanzierungsmix aus Mitgliedschaften und der Erschließung lokaler Werbemärkte etabliert werden.
„Spatz füllt mit seinen KI-generierten journalistischen Angeboten jene Lücken im ländlichen Raum, die der traditionelle Journalismus hinterlassen hat“, heißt es in der Begründung der Jury. „Wir sehen ein interessantes und innovatives Geschäftsmodell mit hohem Skalierungspotenzial, um ländliche und dünn besiedelte Regionen in der Schweiz und darüber hinaus zu versorgen.“
Die Förderpartner der Förderlinie Wissenschafts- und Datenjournalismus (SCI)
Anders als in der Allgemeinen Förderlinie, wo Fördermittel für das Wachstum von bereits auf dem Markt erprobten, gemeinwohlorientierten Geschäftsmodellen vergeben werden, waren in der Förderlinie für Wissenschafts- und Datenjournalismus „Launch Grants“ ausgeschrieben, die ein Vorhaben von der Idee zum Launch unterstützen sollen. Diese Förderlinie wird in Kooperation mit dem Wissenschaftspressekonferenz e.V. (WPK) angeboten.
Mit der gemeinwohlorientierten Wissenschaftsredaktion von TWENTYTWO Film aus Köln, die mit der Marke Doktor Whatson bereits auf YouTube reichweitenstarken, niedrigschwelligen Wissenschaftsjournalismus für junge Zielgruppen produziert, geht der MFF eine Kooperation in Höhe einer Projektfinanzierung von 100.000 Euro ein. Im Rahmen des Projekts soll für die erfolgreiche Marke ein neues Instagram-Format gelauncht werden, das mit kreativen Datenvisualisierungen zu relevanten Themen für junge Menschen informiert.
Die Jury lobt die klare Zielgruppenorientierung sowie den experimentierfreudigen Drive des Projekts: „TWENTYTWO Film zeigt, dass fundierter Wissenschaftsjournalismus auch auf aufmerksamkeitsökonomisch geprägten Plattformen wie YouTube funktionieren kann. Besonders hervorhebenswert: Die Produktion soll unabhängiger von einzelnen Hosts werden.“
Die investigative Recherche- und Transparenzplattform FragDenStaat, die auf Basis von Auskunftsrechten amtliche Informationen auf Landes- und EU-Ebene anfordert und protojournalistisch für Kooperationen mit großen Medienpartnern wie dem ZDF Magazin Royale auswertet, wird mit 75.000 Euro gefördert. Mit dem Bundespressekonferenz-Tracker möchte FragDenStaat ein datenjournalistisches Tool umsetzen, das Statements von Bundesministerien, Sachfragen und Antworten der Mitglieder der Bundespressekonferenz dokumentiert, verschlagwortet und kategorisiert, um über lange Zeiträume aufzuzeigen, welche Themen viel und welche kaum diskutiert werden.
Die Jury hebt die protojournalistische Infrastrukturarbeit hervor, die andere Medien dazu anregt, ein Thema ins Licht zu rücken, das sonst verborgen bliebe: „Das Projekt von FragDenStaat stärkt die Funktion der Bundespressekonferenz als Gegenstand der Berichterstattung. Als datenjournalistisches Innovationstool macht es Diskurse nachhaltig transparent und nachvollziehbar. Zudem hat es das Potenzial, sich positiv auf andere datengetriebene Geschäftsmodelle auszuwirken.“
Die deutsche Plattform Dekoder, die als Schnittstelle zwischen Journalismus und Wissenschaft relevante Beiträge aus dem unabhängigen, nicht-staatlichen russisch-, belarussisch- und ukrainischsprachigen Journalismus kuratiert, übersetzt und kontextualisiert, erhält eine Förderung von 75.000 Euro. Mit einem neuen Newsletter-Angebot plant Dekoder, künftig zwei wöchentliche Newsletter zu veröffentlichen: Einen auf Deutsch, der über aktuelle Geschehnisse in Russland, der Ukraine und Belarus informiert, und einen weiteren für eine russischsprachige Leserschaft, der wissenschaftlich fundierte Einordnungen zu Deutschland liefert.
„Kuratierung wird immer wichtiger in Zeiten von Informationsüberfluss und fragmentierten Öffentlichkeiten. Indem Dekoder einschlägige Beiträgekuratiert und übersetzt, bieten sie eine zuverlässige Informationsquelle in einem von Propaganda geprägten Mediensegment“, begründet die Jury ihre Entscheidung. „Dekoder ist uns mit datenjournalistischen Projekten bereits positiv aufgefallen und wir unterstützen die Transformation hin zu einem eigenständigen journalistischen Format.“
Klares Bekenntnis zu Lokaljournalismus und Transformation
Lokaljournalismus bietet eine wesentliche Grundlage für Information und Teilhabe an der Demokratie, steht aber durch den Druck auf das Printmodell unter besonderen Herausforderungen, sich zu finanzieren. Der Media Forward Fund fördert in seinen bisher zwei Förderrunden mit Bajour, loky*, Spatz und Tsüri inzwischen vier unterschiedliche lokaljournalistische Modelle, die eine Lösung auch jenseits ihrer Region sein können.
„Auch die öffentliche Hand sollte solche transformativen Ansätze fördern, Lokaljournalismus unabhängig zu finanzieren, um eine Versorgung mit verlässlicher Information im Bundesland, im Kanton und in der Gemeinde sicherzustellen“, fordert Martin Kotynek, Gründungsgeschäftsführer des Media Forward Fund. Dabei sollte die Förderung staatsfern organisiert sein, also in einer Form, bei der die Geldgeber nicht selbst entscheiden, wer das Fördergeld erhalten soll, um die Unabhängigkeit der geförderten Medien sicherzustellen.
Der MFF-Gründungsgeschäftsführer ortet besonders im österreichischen Förderwesen Verbesserungsbedarf, da es dieses Mal keine der 20 Bewerbungen aus Österreich ins Finale geschafft haben: „Die staatliche Förderung in Österreich führt Medien auf den Holzweg. Anstatt transformative Ansätze zu belohnen, wird weiterhin stark das Printmodell unterstützt. Im DACH-Vergleich kann sich diese Praxis nicht behaupten.“
Wechsel in der Besetzung der Jury
Der Jury der Förderlinie GEN gehörten – wie im ersten Call – Yves Daccord, Maria Exner, Lucy Kueng, Eva Schulz und Evelyn Hemmer an. Die Mitglieder der Jury der Förderlinie SCI waren Christina Elmer, Helmut Schönenberger und Jakob Simmank. Um eine einheitliche Bewertung der Vergabekriterien über alle Förderlinien sicherzustellen, ergänzten Eva Schulz, Evelyn Hemmer und Lucy Kueng die SCI-Jury.
Evelyn Hemmer wird künftig den Jurys des Media Forward Fund nicht mehr angehören, da sie als Medienreferentin ins österreichische Vizekanzleramt wechselt. Ihren Sitz in den Jurys übernimmt ab dem nächsten Call der österreichische Journalist Patrick Swanson. Er hat kürzlich das John S. Knight Journalism Fellowship an der Stanford Universität absolviert und in San Francisco Verso, ein Beratungsunternehmen für KI-Transformation, gegründet. Swanson unterstützt Medienhäuser, Non-Profits und Unternehmen in Europa und den USA bei der Entwicklung innovativer digitaler Strategien und zukunftsfähiger Geschäftsmodelle. Zu seinen journalistischen Stationen zählt unter anderem der ORF, wo er für die Zeit im Bild die reichweitenstärksten Social-Media-Kanäle des Landes aufbaute.
Nächster MFF-Call startet im August
Die nächste Förderrunde startet am 11. August 2025. Bewerbungen sind bis 22. August möglich. Die Bewerbungsphase wird erneut von online Info-Sessions auf Deutsch, Englisch und Französisch begleitet – sowie mit einer Präsenzveranstaltung am 7. August in Leipzig, mit besonderem Fokus auf Ostdeutschland.
Über den Media Forward Fund
Der erste länderübergreifende Fund für Journalismusförderung in Deutschland, Österreich und der Schweiz setzt sich dafür ein, dass es mehr unabhängige Qualitätsmedien mit tragfähigen Geschäftsmodellen gibt, die starke, vertrauenswürdige Inhalte publizieren und sich langfristig nachhaltig finanzieren. Damit soll die Vielfalt im gemeinwohlorientierten Journalismus und damit die Demokratie gestärkt werden.
Der Media Forward Fund wurde auf Initiative der Schöpflin Stiftung, Stiftung Mercator Schweiz, Volkart Stiftung, Rudolf Augstein Stiftung, ZEIT STIFTUNG BUCERIUS, Allianz Foundation, Stiftung für Medienvielfalt, ERSTE Stiftung, DATUM STIFTUNG für Journalismus und Demokratie, der MacArthur Foundation (USA) sowie des Impact Investors Karma Capital Group, und Publix – Haus für Journalismus & Öffentlichkeit im Juli 2024 als gemeinnütziger Fund gegründet. Im Rahmen einer neuen Förderlinie für Wissenschafts- und Datenjournalismus waren im Januar 2025 fünf weitere Stiftungen aus Deutschland zum MFF gestoßen. Im März kam die Deutsche Postcode Lotterie hinzu. Die Entwicklung des Funds wurde von der Beauftragten der deutschen Bundesregierung für Kultur und Medien mit einer Projektförderung unterstützt. Der MFF ist bis dato mit zehn Millionen Euro dotiert.
Rückfragehinweis für Journalist:innen
Agentur LOEBELL NORDBERG
Annabel Köle-Loebell, Managing Partner
Mobil: +43-676-6904023
E-Mail: al@loebellnordberg.com

Niccolo Brunetti vom Schweizer Medium Bajour (Copyright: Paul Alexander Probst)

Juliane Schader und Philipp Schwörbel vom Medium loky* aus Deutschland (Copyright: Paul Alexander Probst)

Hannes Grassegger vom Schweizer Medium Spatz (Copyright: Paul Alexander Probst

Die Jury des Media Forward Fund diskutiert die eingereichten Bewerbungen bei der Jurysitzung am 8. Juli. (Copyright: Paul Alexander Probst)

Lucy Kueng (Mitte) im Gespräch mit Evelyn Hemmer (links) und Eva Schulz (rechts) (Copyright: Paul Alexander Probst)

Eva Schulz (links) im Gespräch mit Yves Daccord (Mitte) und Lucy Kueng (rechts) (Copyright: Paul Alexander Probst)

Eva Schulz (links) im Gespräch mit Evelyn Hemmer (rechts) (Copyright: Paul Alexander Probst)

Maria Exner und Yves Daccord (Copyright: Paul Alexander Probst)

Patrick Swanson (Copyright: JSK Fellowships, Stanford)